Vor Jahren traf ich einen Mann, der mir ein Geheimnis verriet: Die Kunst, sein Leben zu ändern, beginnt mit einem Satz.
Vor vielen Jahren traf ich auf meinen Reisen irgendwo weit jenseits des Äquators einen besonderen Menschen. Im kühlen Schatten im inneren Hof eines einfachen Hotels sprach ich ihn an. Wir setzten uns und sprachen, um dem staubigen und lauten Alltag in Afrika ein wenig zu entfliehen. Bis das Licht um uns herum golden wurde und der Abend begann.
"Wie schaffst du es um die Welt zu reisen? Mit deiner Familie?", fragte ich ihn.
"Ich mache es.", antwortete er.
Eine weitere dumme Frage von mir oder wieder meine (oft hinderliche) Eigenschaft zu viel zu denken? Das schoss mir durch den Kopf. - Das war meine Art des Denkens, seiner völlig entgegengesetzt. Um den Rahmen des Blogartikels (es ist kein Roman) nicht zu sprengen, zoome ich jetzt diese Szene mit der Schilderung langsam aus. Am Abend kam seine Familie. Eine Frau und vier Kinder. Wir sagten fröhlich "Hallo" und machten in dem goldenen Licht der Abendsonne ein paar Fotos. Bis das Licht im bläulichen Schwarz verschwand und der Mond aufging, saßen wir beisammen. Bis ich mich dankbar verabschiedete. Was hatte ich von diesem Mann gelernt? Das werde ich jetzt in diesem Artikel schreiben.
Seit diesem Tag hatte ich das Geheimnis des Mannes immer in meinem Portemonnaie, das ist die Geldbörse, mit dabei. Das Geheimnis immer in der Hosentasche. Wo immer ich auch hin gehen sollte. Klingt das mysteriös? In Ordnung, mache ich kein Geheimnis daraus: Der Mann war ein NLP-Experte. Neuro-Linguistische Programmierung - ist ein weites Feld und schwierig überhaupt das Gebiet in Worte zu fassen. Ich versuche es: NLP ist eine Kunst eine andere Welt dadurch zu erschaffen, dass man seine Wörter über sie überdenkt und vielleicht dann diese Wörter ändert. Kann man das mit einem Zauberspruch vergleichen? Ja, das geht. Das finde ich sehr atmosphärisch, und es gibt dem Leben ein emotionales Gefühl, wie viele es vielleicht in der Kindheit gekannt haben. Es geht darum, wie einer denkt und was dann im Leben mit ihm - oder besser aus ihm heraus - passiert.
Ich denke oft viel über Dinge nach und sitze jetzt in einem Straßencafe, um durch das Schreiben den Dingen noch mal auf den Grund zu gehen. Ich will etwas aus meinen Erinnerungen herausdestillieren. Andere sitzen im Cafe, weil sie mehr fühlen oder anders denken. Wieder andere machen mal dies, mal das und es fühlt sich alles stimmig und gut an. Also wenn es sich nicht stimmig und gut anfühlt, kann das ein Grund sein, seine Auffassungen über das Leben zu ändern?
Das geht auch versuchsweise und ich würde es immer auch so machen. Try and Error. Ich stelle mir etwas vor, wie etwas sei. Mein archetypisch unsympathischer Nachbar kann dann - versteckte - nette Seiten haben. Auch wenn er sie selber noch gar nicht kennt, kann es einen geben, der sie entdeckt. Dieser eine kannst du sein und damit wird das Leben märchenhaft entspannt. Also denken wir uns mal jetzt die Welt, wie sie uns gefällt. So wie Pippi Langstrumpf schon sang.
"Arbeit kann Spaß machen!" oder "Jeden Tag lerne ich neues dazu, was mir hilft, immer mehr Freude an den Dingen zu entwickeln". Der letzte Satz ist eine Affirmation oder ein Glaubenssatz. Der Satz davor wird zu so einem, wenn man das "kann" weglässt. "Arbeit macht Spaß." Mit den Glaubenssätzen richten wir unser Bewusstsein aus, die Dinge so wahrzunehmen, wie wir es oft unbewusst tun. Also das passiert dann automatisch. Wir können das Unbewusste trainieren das Leben entsprechend wahrzunehmen. Das "wie" ist dann jedem selber überlassen. Oder: Tut man das nicht selber für sich, dann werden es andere tun. Das ist das große Geheimnis des Lebens. Was unterscheidet einen Individualisten von dem Rest? Sicher der Medienkonsum und das Ausmaß an fremden Glaubenssätzen, die sich - mit Inbrunst - als eigene Gedanken anfühlen und lustig im Kopf umhertanzend, besondere Beachtung bekommen wollen. Die fremden Glaubenssätze gehen typischerweise mit "man" los. Die sind immer sehr hartnäckig, da sie tief im Unbewussten verankert werden. Versteht man das einmal, kann es los gehen, das eigene Leben zu designen.
Was war jetzt das Geheimnis des Mannes?
In jedem Märchen war es so. Das Kind muss sich etwas ganz doll wünschen. Fest dran glauben. Dann passiert es auch. Ein Wunder. Erwachsenwerden bedeutet - für die meisten - von diesem Glauben vehement Abschied zu nehmen. Stimmt das? Warum diese Vehemenz? Vehemenz ist eine starke emotionale Erregung. Ein inadäquater Affekt, der oft ein Zeichen einer Neurose sein kann. Um das Thema ein wenig umfassender, als aus einer "esoterischen Blase" heraus, zu besprechen, nehme ich mal jetzt ein ganz anderes Beispiel: Lustigerweise war es der Generalmajor Trull, der in seiner Abschiedsrede Henning von Tresckow zitierte mit: "Wer seinen Kinderglauben sich bewahrt, in einer reinen, unbefleckten Brust - und gegen das Gelächter einer Welt zu leben wagt, - wie er als Kind geträumt - bis auf den letzten Tag: das ist ein Mann!" Das sagte ein Soldat. Jetzt kann einer einwenden: "Jaa, Soldaten sind doch nur Kinder…" Aber öffnet nicht genau dieser Einwand die Welt des angeblich unausweichlichen Determinismus, den die Erwachsenen vertreten, die ihr Kindsein auf dem Altar - von was eigentlich - geopfert haben? Hier gilt es selber für sich zu denken, denn es gibt ein Geheimnis zu entdecken.
Von einem mystischen Treffen zu einem militärischen Aufmarsch mit einer markigen Rede. Worum es geht, ist einfach die Motivation bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen. Die Motivation wird gehijackt. Durch Medien, Schulen, Eltern: Bestimmte Gedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen. Andere wiederum zu fördern. Also nach deren Pfeife zu tanzen. Das ist so, besser wird alles aber erst, wenn du selber dazu kommt, das zu tun, was du eigentlich willst. Denkst du für deinen bösen Chef arbeiten zu müssen und dadurch eine Krebspersönlichkeit zu bekommen, war das am Ende dein Leben.
Böse Überraschung der terminalen Luzidität. "Terminale Luzidität" ist ein Begriff, der das plötzliche Klarwerden sterbener Menschen auf dem Totenbett beschreibt. Besonders markant soll das bei vorher dementen Persönlichkeiten erlebt werden. Die werden einfach so wieder normal, reden noch mal mit ihren Angehörigen wie früher in völliger Klarheit und dann verabschieden sie sich. Das wird manchmal beobachtet - Klarheit auf dem Sterbebett. Wichtig ist: falsche Lebensperspektiven werden auf dem Sterbebett zu einer ungeheuren Last etwas richtig verbockt zu haben. Das werden dann seelische Mühlsteine. Deshalb ist es wichtig zu Lebzeiten einen "inneren Rapport" zu solchen Themen herzustellen, die unangenehm sind oder nie angepackt werden wollen. Innerer Rapport meint hier ein Art der inneren Kommunikation mit sich selbst.
"Selbstgespräche? Ist das nicht zu seltsam?"
Die Frage liegt gesellschaftlich im Raum. Daher meine ich, die Gesellschaft als kollektives Konstrukt tabuisiert solche Methoden zu sich selbst zu kommen. Kommt man zu sich selbst, spielt man weniger gesellschaftliche Rollen. Ein Zu-Sich-Selbst-Kommen bedeutet oft vom System weg zu gehen. Gefahr für das System. Deshalb gilt allgemein: "das sind Kindermärchen!" Dinge, die man nicht leugnen kann, werden so in irgendwelche Ecken gestellt, um sich mit ihnen nicht zu beschäftigen. Dann kommt die Psychologie mit ihrem Unbewussten und rüttelt an den Dingen in den Ecken. "Hier seht ihr mich!" Meine Tabus und Traumata. Dann ist da noch die Religion. Betet und tut Buße! Auch der Herr Jesus sagte: "wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr niemals das Himmelreich erlangen." Starke Geschütze.
Innerer Rapport, Selbstgespräche. Es gibt viele Wege. Entscheidend ist sie zu gehen und zu verbessern. Am Anfang klappen Dinge nicht recht. Das ist normal. Aber Versuch, Irrtum, lebenslanges Lernen ist der einzige Algorithmus, den einer braucht. Bezeichnenderweise greift eine Gesellschaft, deren nicht zu hinterfragende Grundlage ihr Finanzsystem ist, solche Themen selber auf, - in ihrer un-persönlichen Art und Weise. Dann entsteht, was ich in meinem Bullshit-Mountain Bericht geschildert habe.
Jetzt beim Namen genannt: eine als "Bestellung beim Universum" gehypte Bewegung. Heute schon den Lamborghini bestellt? Dann kommt eine zweite Welle, "warum es bei dir nicht klappt?" - und eine dritte mit "und wie es in Zukunft bei dir klappen wird!" Grundmethode: Sich berieseln lassen, vergessen, beim nächsten Mal wieder bezahlen. Ist die Welt wirklich kein "Wünsch Dir was"? Das ist der letzte sarkastische Einwand, mit dem die Gesellschaft weiter gut leben kann. Verbildlicht: Realisten versus Traumtänzer. Wobei das Leben dieser Realisten aber immer hart an den Grenzen des Spießertums verläuft. Diese Grenzen müssen immer - zu jeder Tageszeit - absteckt und verteidigt werden. Deshalb passive Aggressivität bei diesen Themen. Das Leben ist sicher - kein - Märchen. Sonst wäre man der Idiot in diesem Märchen gewesen. Böse Überraschung der terminalen Luzidität.
Der letzte Absatz ist polemisch verfasst, um zu verdeutlichen: hier steckt ein gesellschaftlicher Sprengsatz, bzw eine Thematik, die man gezielt individuell angehen muss. Ich schreibe das, weil ich selbst Jahre brauchte, um meine 'Man-muss'-Gedanken zu entlarven. Ist das "Wünsch dir was" echt oder ist das Quatsch? Typisches Entweder-Oder-Denken, das aber nie richtig wahr ist. In Afrika gibt es einen Witz, der so geht:
"für den Weißen ist die Wand entweder immer weiß oder schwarz."
Viele werden den Witz nicht gleich verstehen, daher vorweg: es gibt keine rein weißen Wände. Besonders in Afrika nicht (haha). In Echt: nur in der Mathematik oder den Idealisierungen in den Köpfen existieren rein weiße Wände. Richtig ist hier mehr beides gleichzeitig. Ein weder noch. Yin-Yang-Symbol, Schwarz-Weiß, das aber immer einen klitzekleinen Punkt vom anderen in sich hat. Hier werden zwei völlig unterschiedliche Denkarten deutlich. Das finde ich sehr interessant. Ich habe den Witz auch nicht gleich verstanden:
"Wieso, die Wand hier ist doch weiß und nicht schwarz?"
"Dann schau hier? Ist das weiß?
Ein dunkler Finger deutete auf einen kleinen Flecken an der Wand. Gelächter. Sie hielten es wirklich für dumm anzunehmen, die Wand wäre weiß. Der weiße Mann lebt in einer mathematisch standardisierten Welt oder in der Einbildung, die Wand hätte keine Flecken. Aber rein formal hatten sie recht: die weiße Wand war nicht wirklich weiß. Aus den unterschiedlichen Erkenntnisständen wachsen dann auch unterschiedliche Welten. In Afrika werden Häuser oft nur einmal, direkt nach Fertigstellung, gestrichen. Kann man oft so sagen. Andernorts, besonders in Schwaben, werden Wände andauernd und mit besonderem, inneren Impetus gestrichen. Der Duden übersetzt Impetus mit Antrieb, Anstoß oder Schwung.
Jetzt sind wir bei dem grossen "Kulturkampf" Weiß gegen Schwarz angelangt. Weißes Denken fühlt sich dadurch herausgefordert niemals wirklich reines Weiß sein zu können. Deshalb muss Weiß Schwarz über-streichen. Oder das Gute über das Böse triumphieren. Das ist menschliche Psychologie, die aber nicht besonders klug ist. Das Denken kann schon schwarz oder weiß sein. Aber wie korreliert das dann mit der Umgebung? Kann dadurch Leid entstehen? Overthinking?
Kulturkämpfe, die Rede des Generals. Hier geht es diesmal um weltanschauliche Wahrheiten. Die müssen mit Kriegen verteidigt werden. Deshalb ist so eine Art des Denkens nicht ratsam. Die Art des Denkens kommt immer mit "Wir" und "denen". Daran erkennt man es schnell und muss sich davon nicht inkubieren lassen. Also das "Wir" ist das Kennzeichen. Solche Leuten existieren auch immer nur im Plural, wie schon 1977 Klaus Kinski in der TV-Show "Je später der Abend" um die Minute 21 entdeckte.
Reprise
Heute sind wir ein wenig herumgekommen, ohne richtig zum Ende des Thema gelangt zu sein. Vielleicht muss das in einem Cafe, wo ich das schreibe, auch so sein? Der Text kommt aber schon an seine 2000 Wörtergrenze, an der ich einfach mal ein Ende setzen werde. Aber all die Geschichten waren es auch wert, erzählt worden zu sein. Durch diese Geschichten und auch die Rede des Generals oder des Kinskis habe ich weitere Bausteine entdecken können. Aber komme ich zurück zu dem Mann, den ich in Afrika traf. Leander. Das war sein Name. Im Laufe seiner Jahre hatte der Mann einen Brief an sich selbst geschrieben. Den trug er in seiner Hosentasche immer bei sich. Er hatte den Brief in zehn Gebote unterteilt. Glaubenssätze, die ihm wichtig waren. Als NLP-Profi schrieb er etwas völlig eigenes. Es hat also nichts mit den biblischen Geboten zu tun. Aber als ich den Brief zum ersten Mal durchlas: WOW. Hört sich lebendig an.
Der Brief funktioniert jetzt so, dass er immer dann gelesen wird, wenn sein Träger völlig mit den Nerven am Ende ist. Solche Momente gibt es. Und genau die Kraft dieser Momente wird dann genutzt, positive Affirmationen zu setzen. Zu inspirieren. 10 Gebote, alter Brief, schon in Fetzen und Papier verfärbt sich langsam. Viele Erinnerungen hängen an dem Brief. Dadurch, dass er immer dann schon gelesen wurde, wenn ich gefühlt völlig am Ende war. Genau diese Momente. Oder etwas Schreckliches passiert war. Immer dieses Gefühl da war, ich weiß nicht mehr weiter. Ich bekomme beim Lesen des Briefes automatisch ein sehr vertrautes Gefühl mit mir selber. Wie bei dem Treffen mit Leander. Und danach fühle ich, als wäre ein schlimmes Gewitter vorrüber. Die Luft ist wieder frei vom Ärger, von den düsteren Wolken und Blitzen. Gesang der Vögel. Und da ist eine Kraft in mir. Die Kraft von Leanders Affirmationen. Der Mann ließ mich seinen Brief abschreiben. Seitdem hatte ich meinen eigenen. Immer dabei. Hier liegt er vor mir …