Bloggen. Warum es sich lohnt, einen Blog zu führen? Sind Blogs nicht furchtbar veraltet? Umständlich? Herausfordernd?
Bloggen hilft dir dabei, selbst Content zu stellen und ihn zu verwalten. Wir leben im Zeitalter des Contents. Schlagwort: Big Data. Alles an Daten wird gesammelt. Dadurch erzeugst du einen digitalen Doppelgänger von dir, der dann monetarisiert wird. Welche Werbung bekommst du? Welchen Content? Oder vielleicht doch die Hausdurchsuchung am frühen Morgen? Anderes Schlagwort: "Content ist King". Wir leben auch im Zeitalter der Schlagwörter. Aber es geht noch weiter. Durch den Content, den du öffentlichen Plattformen gratis zur Verfügung stellst, wird dann auch wieder neuer Content geschaffen oder mit anderen Worten: Mehrwert generiert. Soziale Medien generieren diesen Content durch dich. Während du nicht die volle Kontrolle über den Content hast. Das ist eine Situation, die nicht mehr ausgewogen ist.
Ich mochte es (vor Jahren), Bilder auf Instagram hochzuladen. Künstlerische Bilder. Ich versuchte Streetphotographie. Die packendste Art der Photographie. Künstlerische Aufnahmen von Menschen auf der Straße. Aus dem Moment heraus gemacht. Einzigartig. Ungefragt. Manchmal brauchst du schnelle Beine, um das zu machen. Nicht nur den flinken Finger am Abzug der Kamera. Instagram generierte dadurch Werbeeinnahmen. Ungefragt. Berühmt wurde ich nicht. Hatte nur das Gefühl, in einer elitären Subkultur zuhause zu sein. Die Illusion, die soziale Netzwerke gerne vermitteln. Was waren wir für tolle Photographen!
Die Ernüchterung kam durch Instagrams Filter und später der direkten Bildmanipulation mit Photoshop oder durch die Kameras selbst. Das zerstörte die Freude an der Photographie, die eigentlich eine tiefe Verbundenheit mit dem Leben und dem Moment, in dem dieses Photo entstand, ausdrückte. Jetzt wurde zunehmend gefaked und es ging immer weniger darum, was für Geschichten hinter den Bildern waren. Sie wurden oberflächlich. Aber dafür auch atemberaubend. Auf Knopfdruck. Aber nach den Ahhs und Ohhs war dann nichts mehr. Weiterscrollen. Da viele Kameras das dann auch automatisch machten, fand ich es irgendwann nicht mehr interessant.
"Ich habe so schöne Bilder vom Nachmittag gemacht!"
Aber der Himmel war nicht wirklich so blau und die Farben auch nicht so plastisch und funkelnd, wie ich es in Erinnerung hatte. Begann Social Media so unsere Erinnerungen umzuschreiben? Unter dem Strich: Wenn die Illusion zu deutlich wird, macht es irgendwann keinen Sinn mehr. Natürlich kann der Massengeschmack damit leben und will es auch, und das Zeitalter der gefakten Selfies konnte beginnen.
Später kam dann die zweite Enttäuschung für mich. Soziale Medien allgemein. Ich denke, dieses Gefühl ist bei vielen verbreitet. Unzufrieden, zu viel Zeit mit Scrollen verbracht? Wirst du zum Hater oder genießt du es, andere zu Hatern zu machen? Letztere Dus haben Soziale Medien wirklich verstanden. Hater sind die Melkkühe der Aufmerksamkeitsökonomie. Aber auf die Dauer macht auch das unzufrieden. Wenn die Selfies hübscher sind, als das, was du täglich im Spiegel siehst, wird auch irgendwann klar, dass die Zeit vergeudet wurden. Oder du systematisch Minderwertigkeitsgefühle entwickelst.
Das ist dann diese Gossip-Blase in den Netzwerken. Menschen, die ich als Else Kling bezeichne - oder Falco in seinem Song "Egoist" mit den Zeilen "Was ist er denn?", "Was hat er denn?", "Was macht er denn?", "Was glaubt er, das er ist?" eine Stimme verleiht. - Aber es kam noch schlimmer: ich denke die vielerwähnten Algorithmen in den Sozialen Medien sind manipulativ.
Am 25.2.2024 verbrannten die Sozialen Medien gemeinsam mit Aaron Bushnell. In meinem Erleben war das so. Mir fielen auf YouTube gewisse Kommentare mit nur wenigen Likes auf, die direkt unter Videos mit Bomben auf Zivilisten angeheftet worden waren. Das heißt, jeder bekommt diese Kommentare als erstes zu sehen. Wie in einer Skinner-Box. Die Kommentare wurden also von YouTube direkt, dem Algorithmus, angeheftet. Wies man darauf hin, wurde man - vom Algorithmus - nicht für andere angezeigt oder der Kommentar wurde im Moment der Veröffentlichung gelöscht. Die Moderation der Kommentare erfolgte also zeitgleich. Das geschah also zielgerichtet und intentional. Eine perfide Art der Kriegspropaganda. Natürlich macht das keiner offensichtlich. Aber es passiert systematisch. Sie machen es und leugnen, dass sie es machen.
Ich bin kein Held. Aber auch als Egoist wurde mir klar, dass ich mich auf keinen Fall dieser Berieselung weiter aussetzen sollte. Ich denke, keiner muss sich wie Aaron Bushnell verbrennen. Was machen die Leute und diese Interessen aus einem? Es reicht persönlich aus diesen Spielen auszusteigen. Einfach konsequent zu sein und schädliche Umstände zu meiden. Soziale Medien heutzutage als einen "neutralen Schiedsrichter" zu sehen, ist naiv. Es geht um Big Money. Und wie auch damals auf Instagram, wird der User dazu nur benutzt. Außer Geschichten von düsteren Bad Guys war da auch "der Databroker" im dunklen Unbekannten, dem die sozialen Medien, Webseiten Zuarbeit leisten und der dann alles mit diesen Daten anfangen kann. Darüber wird in den normalen Dystopien, die im Internet kursieren, überhaupt nicht berichtet. Das Problem ist also größer als man es sich gerne vorstellt. Kurz gesagt: das Internet ist jetzt bereits kaputt. Es ist NICHT 5 vor 12 mehr.
Wo ich weg wollte (Soziale Medien), war mir klar. Wo ich hin wollte, hingegen nicht sofort. Da ich gerne schreibe, fielen mir Blogs ein. Ich habe da unbegrenzten Platz zu schreiben. Auch wie und was ich schreibe, ist allein meine Sache. Raum zum Experimentieren. Bloggen ist der letzte unverplombte Speicher im digitalen Schlachthaus.
Habe Kontrolle über deine Inhalte
Da natürlich auch beim Bloggen die Texte auf irgendwelchen Servern liegen, auf die ich am Ende auch keinen Einfluss habe, beschäftigte ich mich etwas tiefer mit der Materie, installierte den Texteditor Emacs, arbeitete mich ein und jetzt blogge ich im Org-Mode und die Files liegen alle auf meinem Rechner, der sie mit allen persönlichen Geräten, die irgendwie Speicher haben, teilt. Sicherheitsupdates. Lokales Netzwerk. Autark. Durch einen - immer gleichen - Arbeitsprozess bringe ich die Org-Files in ein html-Format und diesen Code lade ich dann hoch. Der Blog, den du hier liest, ist also nicht der eigentlich Blog, sondern eine Kopie. So verliere ich nie, die Kontrolle über das, was ich geschrieben habe. Besser noch: ich kann alte Texte umschreiben oder miteinander kombinieren. Ich finde das richtig kreativ. Voraussetzung ist aber, alles immer griffbereit zu haben. So habe ich hier vollen Zugriff die Dinge umzuschreiben und etwas völlig anderes daraus zu machen. Bloggen ist wie Freilandhaltung. Kein Stall, kein Bauer, kein Futtertrog.
Wichtig: ich lege hier den Schwerpunkt auf kreatives Schreiben. Ich erfinde hier nichts oder lüge sogar. Nie. ABER: ich habe immer etliche Novellen oder sogar Romane im Hinterkopf und benutze dann Texte von hier, sie weiter zu schreiben oder auszuschmücken. Deshalb ist auch mein Stil so, wie er ist. Hier fallen mir die Begriffe Richard Wagner, Künstlerwerkstatt und Gesamtkunstwerk ein. Das ist sehr assoziativ und nicht jeder möchte das lesen. Zu sprunghaft. Oder es wird eine lineare Erzählweise favorisiert. Ich schaffe 2500 Wörter pro Stunde und das geht auch nur indem ich schreibe, schreibe und weiterschreibe.
Oft schreibe ich dann, wie ich denke. Das ist das der "Stream of Consciousness", der Bewusstseinsstrom von Virginia Woolf. Sie ist eines meiner literarischen Vorbilder. "Die Wellen" und "Zum Leuchtturm" sind einfach nur wunderbar. Aber ich mag auch den Groschenromanautor Jason Dark oder - er war auch nie mehr - Karl May. Karl May hatte eine tolle Art Geschichten zu erzählen, während Jason Dark gekonnt Klischees bedient. Aber ich mag B-Movies und das ist dann die Facette in mir, die ich als "Rob-Zombie-Filter der Realität" bezeichne.
Auch nicht anders als ein fetter Instagram-Filter? Vielleicht. Warum ist es schlimm, in sich widersprüchlich zu sein? Aber die Welt mit so einem Filter in einem Text zu beschreiben, ist schon anspruchvoller als den Knopf auf dem Display zu drücken. Durch das Schreiben ist mir der "Rob-Zombie-Filter" in mir erst überhaupt bewusst geworden.
So, die 2000 Wörter kommen jetzt wieder Nahe. Das ist mein Limit für Blogbeiträge. Redline. Eigentlich wollte ich nur 500 Wörter schreiben. Aber so ist das nun mal im Flow. Folgende Punkte habe ich hier (unterhalb des Cursors) schon ausformuliert und bringe das dann irgendwie unter: "Bloggen als Chance zum Wissenserwerb" und "Der Weg des Emacs". Im Grunde geht es darum die Erkenntnis "in sozialen Medien wirst du manipuliert und ausgenutzt" in einen produktiven Umgang mit dieser Technik zu verwandeln.
Bloggen fordert einen heraus sein Wissen über Dinge wie Webseitenerstellung, Datenmanagment und vieles mehr zu erweitern. Warum ist das so? Weil ich nicht mehr nur an einem Anbieter hängen will, der den Blog nach belieben schließen kann und dann meine Arbeit zunichte macht. Ich will der Herr über meinen Content bleiben. Und das geht am besten, wenn alles bei mir auf den Festplatten liegt und bei Bedarf wie ein gefaltetes Genom ausgepackt und exprimiert werden kann.
Hier wird es märchenhaft schön, denn ich finde den Gedanken sehr positiv mit Dingen wie der IT in einer neuen Art umzugehen. Vorher: Dystopie. Jetzt: Daten, wie es das Genom tut, weiterzugeben. Ist das ein natürlicher Ansatz? Das kommt vom Umgang mit dem Editor Emacs.
Der Weg des Emacs
Emacs ist auf dieser transformativen Reise mein guter Freund geworden. Schon etliche Jahre auf den Buckel, älter als ich. Ein Urgestein der IT. Warum reizte mich das? Nun, ich habe erkannt, dass der einfache Pfad zwar ein sehr kurzer Pfad ist, der aber auch schnell zuende ist. Dann kommt die Leere. Deshalb reizten mich schon immer Dinge, die eine steile Lernkurve haben.
Steile oder flache Lernkurve hängt natürlich immer damit zusammen, wie man die Achsen des Diagrams bezeichnet, in denen eine Kurve aufgezeichnet wird. Die Bezeichnungen sind Wissensfortschritt auf der x-Achse und Zeit auf der y-Achse. Eine steile Lernkurve bezeichnet also einen Vorgang, bei dem einer viel Zeit investieren muss, um einen geringen Lernfortschritt zu erzielen.
Vertauscht man X- und Y-Achse, dann wird aus der steilen Lernkurve eine flache. Ich erwähne das nur, weil mich das selber immer verwirrte. Oder ich einen unreflektierten Umgang mit dem Begriff "Steile Lernkurve" ablehne. Steil, flach, was ist es nun?
Anders gesagt, sind das die Programme, bei denen man die ersten 8 Stunden hilflos davor sitzt und sich fragt, ob sich so Wahnsinn in seiner realen Form anfühlt? Dann kommt die endlose, nicht abbrechene Reihe von Aha-Effekten. Am Ende erkennt man, dass Daten in Emacs und der RNA (dem evolutionären Vorläufer der DNA) verblüffende Gemeinsamkeiten haben.
Ist Information am Ende ein Ding jenseits unseres linearen Denkens und wenn ja: was ist sie? Ich will jetzt keinen Texteditor bewerben oder als unabdingbar verklären. Es aber erwähnt zu haben, kann anderen neue Perspektiven geben. Aber auch hier gilt: Vorteil der Erleuchtung ist, du weißt warum das alles so ist. Nachteil: du kannst es keinem erklären, bzw glaubt dir das keiner. Einfach weil die Glaubensätze regelmäßig von den Sozialen Medien überschrieben werden.
Das sind die modernen, digitalen Ketten, die du sprengen kannst, um Prometheus zu werden. Der Kaffee steht jetzt kalt vor mir. Nur die harten Aromen überleben. Alles Weiche, Angenehme verdunstet. Was bleibt, ist Wahrheit. Wenn du jetzt denkst „Das ist nur Romantisierung von Prokrastination“… vielleicht. Aber welcher Kaffee war der beste, den du je hattest? Genau: Der, den du vergessen hast, bis er perfekt war.