Der Artikel behandelt Erinnerungen aus Afrika, um später zu versuchen, eine Kommerzialisierung des alltäglichen Denkens in Deutschland zu beschreiben. Ein existentieller Deep Dive.
In Afrika sagte mir mal jemand - ein Brite, der genüsslich an einem Gin nippte, dass "in Afrika deine Feinde nicht das Problem wären…" Erwartungsvoll schaute ich ihn in der Redepause an. "In Afrika sind deine Freunde das Problem…" - "Oh Gott, war das rassistisch?", dachte ich bei mir. Was sollte ich damit bloß anfangen? Aber der Ausspruch sollte unvergessen werden. Und mit der Zeit verstand ich ihn mehr und mehr. Wenn du einen Menschen benutzen willst, um ihn emotional, körperlich oder finanziell auszunutzen, - werde sein Freund. Studiere ihn regelmäßig wie einen Wetterbericht. Was sind seine Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte? Und dann sei sein Freund. Klingt das richtig fies? Für mich hörte sich das revolutionär fies an. Machiavelli ultra. Aber funktioniert das Leben nicht genau so?
Du hältst diesen Artikel jetzt für eine Abrechnung mit Afrika? Falsch. Es ist eine Abrechnung mit mir. Denn der Satz des Briten verfolgte mich – durch Dörfer, Städte und schließlich zurück nach Deutschland, wo ich lernte: Auch hier gilt seine Regel. Nur besser getarnt.
Ich bin ein Mensch, der gerne naiv ist. Naivität schützt und lässt einen sich gut fühlen. Sie ist auch Luxus, - der Luxus nicht gerissen sein zu müssen. In Afrika stellen sich solche Gedanken fast automatisch ein. Afrika. Wenn einer Asien oder Südamerika besucht und eine Zeit dort lebt, fühlt sich das anders an. Asien macht neugierig und Südamerika lässt einen das Herz, corazon, so richtig fühlen. Sicher gibt es nach Wochen und Monaten auch eine Phase, in der ein Neuling sich in einer neuen Gesellschaft nicht wohlfühlt. Ich nenne das die Übergangsphase, in der es heißt, anfängliche Idealisierungen zurückzulassen. Auch kann einer sprachlich an eine Grenze kommen, die herausfordernd ist. Du kannst dich einfach nicht so ausdrücken, wie in deiner Muttersprache. Aber es ist auch eine Chance dazu zu kommen, Probleme weniger rein sprachlich lösen zu wollen. Gerade in Deutschland wird das gemacht. Also selber Ausländer werden und zurück zur Ursprünglichkeit gelangen. Das ist der Zauber.
Viele nennen dieses kritische Stadium auch "Kulturschock". Ich habe das immer nur wie ein leichtes Fieber oder einen Schnupfen wahrgenommen. Ich denke, das ist etwas Normales. In Afrika war das anders. Bei mir und fast allen anderen Reisenden kam der Kulturschock als etwas Rasches, Unausweichliches. Keine 24 Stunden in Johannesburg schrieb ich einem Freund, dass ich Angst hätte das Hotel zu verlassen und das Land möglichst schnell wieder verlassen wolle. War alles zu heftig. 24 Stunden in Johannesburg genügten, um meinen europäischen Dünkel zu zerbröseln. Die Stadt lehrte mich: Freundlichkeit kann eine Falle sein. Und Misstrauen ist kein Gefühl – es ist ein Überlebensinstrument. Joburg ist ein Kapitel für sich.
Auch am Lake Malawi - übrigens einer sehr schönen Ecke, Leute entspannt, ja eigentlich lieben alle Malawi "the warm heart of Africa", traf ich einen Afroamerikaner. Er stand alleine am See und wirkte starr. Ich fragte ihn, warum er so blass aussehen würde? Er erzählte mir, das Land seiner Vorfahren zu besuchen. "Und?" - Er wollte nur noch weg. Zurück in die USA. Das ist natürlich desillusionierend.
Woran lag das? Ehrlich gesagt, traf ich nirgendwo Menschen, wie in Afrika. Ich lernte die Dollarzeichen in den Augen zu erkennen. Es ist ein ganz besonderer Blick. Ähnlich wie beim Anblick von Alkohol. Ich vermute, beide Begierden sind ähnlich im Gehirn verschaltet. Die kaputtesten Typen traf ich, in sehr rascher Folge, nur so in Afrika. Afrika sei wie "ein altes, abgesoffenes Wrack am Grunde des Ozeans". So fasste ich das in Worte.
Aus heutiger Sicht liegt da ein Wahrnehmungsfehler vor. Natürlich gibt es auch völlig normale Menschen in Afrika. Als Tourist oder Reisender bekommt man aber die nicht zu sehen. Sondern "die anderen", die den Weg vom Bus zum Hotel zu einem zweifelhaften Vergnügen werden lassen. Der Reisende muss lernen, damit umzugehen. Das hängt auch damit zusammen - Geheimtipp - wie schnell du dich bewegst und welches Erregungspotential in deinen Neuronen ist. Ist einer aufgeregt und hektisch, löst er zielsicher die Beutereflexe dieser Menschen aus. Auch ist es ratsam immer genau zu wissen, wohin es geht und die Ziele ruhigen Auges im Blick zu haben. Wie ein Löwendompteur. Also nicht stehen bleiben und gaffen. Was aber ein typischer Tourist völlig automatisch machen wird. Mit den Wochen und der Erfahrung legt sich das neuronale Erregungsniveau und ich schrieb dann solche Sätze wie "im Grunde ist Afrika ein riesiges Dorf" ins Reisetagebuch. Weiter später: "Mungu ibariki Afrika!"
Für meinen Blogbeitrag "Freund und Feind", erzähle ich das deshalb, weil mir in Afrika elementare psychologische Gesetze klar wurden, von denen ich in Europa keinen blassen Schimmer hatte. Die Menschen sind da einfach zu naiv. Wie beschreibe ich es? Diese Art über den Kopf mit Logik und Etikette zu reden funktioniert nicht in Afrika. Besonders da nicht. Vielleicht in Asien? Auch in Südamerika wirkt das unfreundlich. Sie nennen dich dann Gringo. Dort reden sie direkter und ein Gringo zu sein ist nicht cool.
Warum ist aber die deutsche Art zu reden unfreundlich? Mit fällt da eine Szene aus meiner Studentenzeit ein, in der ein junger Deutscher richtig erbost im türkischen Dönerlokal wurde. Das war in Berlin-Charlottenburg. Genau da. Es war ein früher Winterabend mit Hauchatem vor dem Mund. Der junge Deutsche schrie den Dönermann schon fast an: "Ich habe Bitte gesagt…" Er fühlte sich unfreundlich von dem Ausländer behandelt. Ich vergaß die Szene nicht, weil ich durch sie lernte, wie unfreundlich solche Formulierungen mit "Bitte" wirken können. Das ist Arbeitgeber-Deutsch. Das "Bitte" wirkt schon bedrohlich, auffordend. Abmahnend. Das als Beispiel: Behördendeutsch, endlose man-Sätze mit voller Senftube passiver Aggression. Die deutsche Art zu reden und zu denken kann verletzend sein, auch wenn sie vorgibt, das nicht zu sein. Also Döner bestelle ich mit "Haschte Döner scharf?" und auf den Ton achten und Dankbarkeit ausstrahlend. Natürlich heute nur noch vegetarisch1: "Haschte vegan?"
Ich habe 2022 nochmals Berlin besucht und weiß nicht, ob man heute diese Dönermänner als Ausländer bezeichnen würde? Sprechen ein perfektes Deutsch und die Kopftuchmädchen sind wohlerzogen und unterhielten sich sehr lange mit mir über ihre Familien. Das lernt man auch in Afrika. In meiner Studentenzeit tickte ich aber anders.
Ich muss auch sagen: psychologische Erkenntnisse sind nie gesellschaftlich opportun, weil sie den typischen Verdrängungsmechanismen entgegen laufen. So gesehen muss dieser Artikel heute einige Kliffe umschiffen. Das Seltsame war also meine Verwunderung über die Aussage des Briten, dass Feinde nicht das Problem in Afrika wären, sondern die Freunde. Also irgendwann wunderte ich mich selber über mich, warum das zuerst so undenkbar für mich war? Lag da vielleicht so etwas wie ein psychischer Komplex in mir? Woher kam dieser?
Jetzt kommt Alois Irlmaier - "Kinder, ich sehe was Schreckliches…"
Es gab einen Propheten aus dem österreichischen Waldviertel, Alois Irlmaier, der fürchterliche Sache prophezeite und schon Generationen von Internetnutzern ängstigte. Als angehender Prophet merke dir, Paris brennt immer und dann Kriege, Seuchen und … Idee: Nimm am besten ein kollektives Trauma aus der Vergangenheit und projiziere es in deinen Prophezeiungen in die von dir entworfene Zukunft. Ich glaube, so funktioniert es.
Das sind genug Gründe vorsichtig zu sein bei Prophezeiungen. Häufig ist es ein sich in den Mittelpunkt stellen, um dann Geschäfte zu machen. Und das Bild von Irlmaier findet sich auf vielen YouTube-Thumbnails. Warum? Ich möchte auch sagen, dass ich Prophezeiungen - wie sie in den Medien präsentiert werden- für manipulativ halte, weil sie Menschen in einen starken kollektiven Zusammenhang pressen. Christliche Fundamentalisten erzählen seit 2000 Jahren das Ende sei nahe, um Druck auf Anders-oder Ungläubige auszuüben. Das ist nicht ok.
Auch ist es wichtig zu beachten, dass wenn jetzt in dem Moment, wenn du das liest, ein Komet die Erde zerstören sollte, jedes einzelne Leben dann in seinem eigenen Rahmen enden würde. Es ist immer noch dein, ganz persönlicher Moment. Die einzige Prophezeiung, die zählt: Solange wir glauben, die Regel zu sein, sind wir das Spiel. Was ich sagen will: der einzelne Mensch erlebt seine Geschichte individuell. Hier finde ich die Kollektivisierung mit "uns" und "denen" völlig irre.
Aber eine von Irlmaiers Voraussagen, fasziniert mich: das Smartphone. Laut ihm sollen die Menschen "mit einer Zigarettenschachtel telefonieren und damit spielen." Irlmaier starb am 26. Juli 1959. Es gab zu der Zeit noch keine Science-Fiction im Fernsehen, wie später. Es gab also noch nicht Raumschiff Orion oder das us-amerikanische Pedant der USS Enterprise in der Populärkultur.
Ich denke, in dem Teil des Artikels werden viele mich falsch verstehen. Ich muss es vielleicht anders ausdrücken: zum einen sind Prophezeiungen problematisch, weil sie durch Angst und andere schlechte Emotionen die Menschen verändern wollen. Du wirst dadurch weniger unvoreingenommen. Ganz einfach. Zum anderen denke ich als Gateway-Praktizierender nach Robert Monroe, dass es sehr wohl möglich ist, Bilder aus der Vergangenheit und der Zukunft sehen zu können. Der Rahmen ist aber immer noch, dass diese Bilder, wenn ich sie sehe, für mich und durch mich gesehen werden. Also etwas Persönliches in meinem Leben sind. Nichts - erst mal - Universelles. Es sei denn, ich finde das Universelle in mir selber. So finde ich auch den apokalyptischen Evergreen "Die Apokalypse des Johannes" der Christen sehr lesenswert. Ich sehe es so, dass die Schrift eine Mitteilung für mich ganz persönlich ist und nicht eine Warnung "für alle". Wenn ich sogar die ganze Bibel so lesen kann, wird das wirklich zu etwas Phänomenalen. Komme ich darauf, sie "für andere" zu lesen, werde ich ganz automatisch etwas komisch. Hier ist Wissen und Weisheit für den der Hören und Lesen kann. Aber: Die Wahrheit ist nicht das, was nur befreit. Sondern das, was uns zuerst alles nimmt, woran wir glaubten.
Gut, vielleicht überarbeite ich das ganze noch2? Aber es geht darum, jetzt zu der Irlmaier-Aussage mit den Smartphones zu kommen. Sieht einer das in einer Vision ist es vielleicht kein beiläufiges Zeichen für etwas, sondern vielmehr etwas fundamental wichtiges? Die Ursache von etwas?
Kriege und Unglück gibt es überall in dieser Welt. Zu jedem Zeitpunkt. Wo will einer da als Seher mit seinen Visionen anfangen oder aufhören? Frage ich mich aber, warum immer mehr Menschen in technisierten Ländern anders denken als andere Menschen in nichttechnisierten Ländern, die aber genauso denken, wie die Vorfahren derer in technisierten Ländern, dann könnte die Antwort sei …? Genau das, vor dem kritische Zeitgenossen schon lange in ihren Essays warnen: Das Smartphone.
Das Smartphone symbolisiert Oberflächlichkeit. Nicht in der Werbung, die sich geschickt mit Gefühlen der inneren Freude zu verbinden weiß, sondern im Alltag, in dem nichts wirklich mehr wichtig wirkt. Außer der Werbung auf dem Display. Heute würde der Student in der Dönerbude seine Bestellung schon vorher über das Smartphonedisplay eingegeben haben? Muscht nur noch abholen kommen. Der Dönermann reicht die heiße Ware1 einfach über die Theke. "Bitte", "Danke" und "Auf Wiedersehen". Wörter, wie bedeutungslose, vertrocknete Blätter, im permanenten kühlen Blätterrauschen des modernen Alltags.
Dann nur noch Erinnerungen: „/Ich habe BITTE gesagt!/" Der Student in Berlin-Charlottenburg, aber auch genau da, zitterte vor Empörung. Der Dönermann rollte nur die Augen. Plötzlich sah ich auch ihn: den Briten in Afrika. Er flüstert: "Siehst du? Auch hier. Nur sagt keiner /Freund, sondern Kunde.“ In Deutschland vertrauen wir auf Regeln, in Afrika auf Instinkte – und beide Systeme produzieren ihre eigenen Opfer. Die subtile Gewalt der Systeme (Sprache, Smartphones, Prophezeiungen) ist aber immer präsent. Deutschland kodiert Kontrolle in Höflichkeit, Afrika kodiert Absicht in Freundlichkeit – beide täuschen, aber anders. Der Brite hatte recht. Nicht nur über Afrika. Sondern über jeden Ort, wo Menschen einander brauchen – und fürchten. Vielleicht ist die einzige Frage: Willst du die Wahrheit wissen? Oder lieber weiter Bitte sagen?
Footnotes:
Die heiße Ware, die mir der Motorradtaxifahrer hier in diesem anderen Artikel immer brachte. Gesicht als schwarzes Display mit flammenden KFC-Logo. Klick me. Der Blick - wegen des schwarzen Visiers - immer irgendwie bedrohlich oder auch cool - aber never ever persönlich. Mir liegt das narrative Schreiben schon mehr. Der Blogartikel ist einfach so passiert. Das Unbehagen, was mich beim Lesen beschleicht, kommt daher, dass ich mich auch in dem jungen Studenten selber erkenne. Eigentlich wollte ich einen Artikel über manipulative Gefahren der modernen, "sozialen" Medien schreiben und daraus ableiten, wie wichtig es ist, Open-Source-Software zu nutzen. Auch wollte ich eine Anekdote berichten, dass es mir gelungen ist eine E-mail mit GNUS zu verschicken. Nach 24 Stunden Konfiguration. Vielleicht wäre das zu langweilig geworden? Wem langweilig ist, kann auch diesen Artikel sich auf YouTube anhören. In Englisch. Das deutsche Sprachmodell ist noch schlechter. Auch weil ich viele nicht-deutsche Wörter benutze. Das ist aber nur ein zeitlich kurzes Experiment. Ich will langfristig einen Peertube-Account einrichten und pflegen. Das ging bloß so herrlich problemlos.
Ich hätte gerne noch folgendes Bibelzitat reingebracht. Offenbarung 9,7-9: Und sie [Heuschrecken] hatten Panzer wie eiserne Panzer, und der Lärm ihrer Flügel war wie der Lärm von Wagen, die viele Pferde tragen und in den Streit laufen. Was sagt dir das? Erinnert das nicht an so etwas wie eine Smartdrone? Sprachlich verwandt mit Smartphone. Aber das würde den Text zu sehr einmal dies, einmal das werden und von der roten Linie, dem Briten mit seiner Aussage über Freundschaft, abschweifen lassen. - Oder ein Szenenwechsel: zu dem Dönermann in Gaza wäre zu unrealistisch gewesen. Einfach, weil es dort nichts zu essen gibt. Solche Gedanken bleiben ungesagt. Ich bin selber sprachlos das in Worte zu fassen.