Freitag, 29. März 2024

Mein Weg zum Atem

Ich will hier über meinen persöhnlichen Weg zum Atem schreiben. Es geht hier darum, meine Erinnerungen einmal aufzuschreiben. Das wird auf der einen Seite sehr gewöhnlich sein und auf einer anderen Ebene spirituell werden.

Das Leben gibt einem immer einen Anstupser. Wenn man ihn nicht gleich versteht, - dann auch mehrere. Der erste Anstupser mich mit meinem Atem zu beschäftigen war als junger Mann. Bei der Musterungsuntersuchung, einer Einstellungsuntersuchung beim Militär, sprach mich der Arzt mit einem besorgten Gesicht über meine Brustatmung an. Das wäre auf Dauer nicht gesund. Im Nachhinein betrachtet, sagte mir damals dieser Arzt all das, was ich viele Jahre später bei James Nestor in seinem Buch Breath wieder lesen sollte.

Ich hatte damals ein Verhalten allen alles recht machen zu wollen, dabei aber so nervös zu werden, daß viele sich dann mit meinem guten Willen zufrieden gaben und ich das im Endeffekt nicht machen mußte. Also eine Form der erlernten Hilflosigkeit. Da ich recht aufgeregt war und einen nervösen Eindruck machte, wurde ich dann für ein Transportbatallion nach dieser Musterungsuntersuchung eingezogen. Also keine kämpfende Truppe, was mir wichtig war, sondern LKW-Fahren, was ich damals wirklich gerne machte. Man nannte uns lediglich bewaffnete Spediteure, um die Distanz zur eigentlichen Truppe auszudrücken. Das war mein erster, flüchtiger Kontakt zu dem Thema Atmen. Die Ausführungen des Musterungsarztes hatten keine praktischen Auswirkungen auf mich, und ich nahm sie in keiner Weise ernst. In diesem Alter springen wohl viele Menschen wie ein Fischen im Bache immer weiter forwärts ohne viel nachzudenken.

Jahre später zog ich alleine mit einem Rucksack auf dem Rücken durch Guatemala in Zentralamerika. Lago Atitlán. San Marcos La Laguna war eines der kleinen Dörfer, die reihum dem schönen See liegen und nach einem der 12 Apostel in der Bibel benannt worden sind. Das feinschattierte Licht und die warmen Farben tauchten diesen Ort in eine mystische Atmosphäre. Jedes Dorf hatte seine ganz bestimmte Ausstrahlung und San Marcos war ein Magnet für Menschen, die auf der Suche nach sich selber waren. Zu der Zeit meditierte ich schon lange und ich wollte dort irgendein Retreat besuchen. Der Meditationskurs in San Marcos war aber nicht zu der Zeit, wie mir dann gesagt worden war. Es gab nur ein Atemretreat. Das ärgerte mich. Ich sprach davon in dem Hostel, in dem ich schlief.Ich erinnerte mich an diesem Nachmittag ganz alleine, ohne Freunde nach San Marcos gekommen zu sein, um dann viele Freunde für mein Leben gefunden zu haben. Eine indischstämmige Kanadierin, Bhavna, sprach mich an und redete von ihrer Mutter, die sehr gute Erfahrungen mit dieser indischen Atemtechnik, Pranayama sammeln konnte. Bhavna sprach den ganzen Abend davon und sie überzeugte mich, "auf jeden Fall" dieses Atemretreat zu besuchen.

Das Retreat war in vieler Hinsicht eine Überwindung für mich. Zu der Zeit rauchte ich immer ganz gerne Zigaretten. Das Retreat bestand jedoch aus einer körperlichen Vorbereitung, in der alle yogischen Ernährungs und Verhaltensgebote eingehalten werden sollten: natürlich nicht Rauchen, kein Fleisch, kein Sex, kein Alkohol. Die Seminarleiterin war eine junge Frau. Sie wirkte sehr unerfahren. Sie sagte auch, es wäre ihr erster Kurs, den sie als Lehrerin geben würde, und sie las alles von tausend Zetteln ab, die sie in ihrer Zeit in Indien angefertigt hatte. Man hatte ihr damals ein Ritual gegeben, das wir wiederholen wollten. Also opferte ich am Abend irgendwelchen Sachen, die ich nicht verstand. Den Elementen, den Göttern, wie sollte ich das wissen? Ich hatte eine große Distanz zu diesen Sachen, bemühte mich jedoch alles richtig zu machen. Trotzdem empfand ich mich als schwarzes Schaf des Kurses. Alle anderen waren emsig bemüht, während ich von einer Zigarette träumte.

Dann passierte etwas Unerwartetes. Als wir, wie jeden Tag, unter einem großen schattengebenden Baum saßen, und den Atemanleitungen der Lehrerin folgten. Ich sah keinen großen Sinn darin, und wunderte mich über die anderen und ihren Elan. Da durchzuckte meine Wahrnehmung etwas Pulsierendes. Die Welt um mich pulsierte. Wurde dunkler, rötlich im Farbton und ich sah geometrische Muster um mich. Was war das? Wie man sich einen Drogentrip vorstellt. Ich sah die anderen um mich herum an und begriff, daß sie genau das taten, was so viele Menschen zu allen Zeiten immer getan haben: nach Erlösung zu suchen. Sie waren meine Geschwister. Ich war tief gerührt.

Die genaue Atemtechnik kann ich nicht mehr erinnern. Es waren größer werdene Pausen mit stoßartigem Ausatmen. Und bei meinem letzten Ausatmen machte es Boom in meinem Kopf. Die Lehrerin sagte, daß man das Ritual nicht alleine ausführen könne. Dazu waren auch ihre Instruktionen zu umständlich. Und wie gesagt, alles hat sie von ihren geheimen Zetteln abgelesen. In diesem Moment war ich der einzige, der so reagierte. Es passierte mir einfach so. Die Schußbesprechung besuchte ich nicht mehr. Ich blieb einfach fern, um mir selber Gedanken zu machen, was das gewesen war. Und eine Zigarette zu rauchen.

Im Hostel bei Bier und Zigaretten überredete mich Bhavna weiterzumachen. Mit ihr. Jeden Morgen. So bildete sich eine Gruppe mit uns und anderen Freunden, die sich jeden Morgen sehr früh zum Pranayama unter ihrer Anleitung traf. Wir machten immer 30 Minuten und waren danach immer ziemlich platt. Bhavna sagte mir wie eine Mutter, daß Atmen sehr wichtig für mich wäre. Wir machten die Atemübungen dann in verschiedenen Städten in Guatemala. Das war eine schöne Zeit und eine Erinnerung, die ich gerne am Anfang stelle.

Weitere Geschichten über Atmen, Pranayama, Breathwork unter der Rubrik Breathwork hier auf diesem Blog.

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