Heute stelle ich hier 5 Inspirationen zum täglichen Schreibens vor. Schreibe, tue das täglich, und diese Inspirationen helfen dabei.
- Tagebuch, damit fängt es an, regelmäßig Texte zu schreiben. Welche Perspektive wähle ich? Erzähle ich überhaupt, oder bin ich Chronist oder lasse den Text das sein? Das Tagebuch konfluiert auch mit dem Notizbuch, in dem wichtige Ereignisse festgehalten werden, um sie später wieder zuordnen zu können. Fängt man an Tagebuch zu schreiben, merkt man wie zerbrechlich die Erinnerung an das Leben sind. Wie hieß der noch? Wann genau habe ich das erlebt? Sehe ich es heute anders? Das Tagebuch macht es bewusst, dass Erinnerungen so kostbar sind, wie Wasser in der Wüste. Obwohl das Leben dann zerbrechlicher erscheint, wird es intensiver. Ein Gegenentwurf zum Nicht-Tagebuchschreiben ist der einseitige, tabellarische Lebenslauf.
- Traumtagebuch, ist noch intimer und transdimensionaler. Da Träume oft einen doppelten Boden haben. Den Lohn der Mühe des Schreibens gibt es erst Jahre später. Meine Erfahrung: vergleiche einmal Träume, die Jahre alt sind mit deinem heutigen Leben! Oft wundere ich mich da. Erschaffen Träume die Lebenswelt von heute? Deshalb lautet die alte Weisheit: werde Herr über deine Träume. Ein Traumtagebuch ist der erste Schritt. Sobald es existiert, werden auch die Träume anders. Die werden notierbarer, auch wenn sie zuvor zerrissen und geheim wirkten.
- Lebenserinnerungen, in einer Datei sammel ich alle Erinnerungen, die in mir hochkommen. So genau wie möglich. Das ist oft nicht einfach. Träumen, Leben, Vergessen sind ein konstanter Prozess des Lebens. Tauche mit dieser Übung tief in dieses Mysterium des Lebens ein. Prosaisch gesagt, ist diese Arbeit das Rekonstruieren der Dinge, zu der Zeit, als du noch kein (Traum-)Tagebuch hattest. Daraus folgt: je länger du solche Tagebücher führst, desto einfacher wird es, dann auch solche Lebenserinnerungen zu destillieren. Das einmal erkannt zu haben, motiviert.
- Deine Novelle, jeder sollte so ein Projekt haben. Liegen mehr als drei solcher Projekte unfertig im Ordner, dann Motivationscheck. Ist mein Leben noch auf Kurs? Ich beende dann die Projekte, um mich nicht zu überfrachten. Es ist nichts dabei, etliche Fragmente über den Weg zum Supermarkt zu haben. Später kann ich daraus noch was machen.
- Die Zusammenfassung von allem: Notizen sammeln ist das A und O. Einfälle kommen spontan, potentiell und überall. Der sprichwörtliche Einfall unter der Dusche! Je schneller du diese Einfälle aufschreibst, desto schlechter werden sie vergessen und können später eine gute Hilfe sein, ohne die in der Praxis nichts läuft. Ein persönlicher Rat: vergesse niemals den Zeitstempel. Am Anfang dachte ich nicht an so etwas. Heute erscheint es mir als Verlust, eine Notiz nicht zeitlich zuordnen zu können.
Folgt einer diesen Ratschlägen, merkt er, dass der Schreibordner kontinuierlich wie von alleine wächst. Das verunmöglicht die typischen Schreibblockaden, modern die Prokrastination, mit der sich jeder Schriftsteller heute auseinandersetzen muss. Der Gedanke alleine ist schon eine Falle. Bin ich ein Schriftsteller, der sich selber martern muss zu schreiben? So sitzen viele heute in ihrem Leben. Wollen schreiben, tun es aber nicht. Warum? Weil sie einem Marketing-Trick aufgesessen sind: immer das bedeutsame zu schreiben. Ein Top-Buch. Viel Geld verdienen. Jeder mag einen. Das geht natürlich nur, wenn man ein tolles Selbsthilfebuch, was dieses verspricht, liest. Mach einen Kurs. Oder - wenn du die Welt mit langweiliger Prosa kafka-esker machen willst: studiere es. Und bloß keinen Psychologen fragen, warum du meinst, es so machen zu müssen. Alle machen es so.
Was ist meine Motivation
Der fehlerhafte Ansatz ist: ich will etwas erreichen. Schwierig. Desto mehr ist es nach der Marktlogik auch wert. Die Konsequenzen? Wie viel Profi-Musiker in einem Orchester oder Profi-Sportler nehmen Aufputschmittel, um die Erwartungen erfüllen zu können? Aber es sind die Erwartungen der Gesellschaft, die Unmengen von Ressourcen in Kriegsverbrechen und soziale Spaltung steckt. Jetzt keinen Psychologen fragen, warum sie meinen es so machen zu müssen. Alle machen es so. Und unter dem Strich hassen sie sich selber dafür. Da lenkt langweile Prosa, die die Welt einen kafka-esken Zauber verleiht, wunderbar von ab.
Der Burnout wartet hinter der Ecke
Mein Rangehen ist anders: einfach schreiben. Das Wunderbare am Leben sind nicht die verkannten Genies, die später von Geschäftsleuten kommerzialisiert und in den Tresor gelegt werden, sondern das stotternde Kind, das "zum ersten Mal" einen richtigen Satz heraus bekommen hat. Das ist Kunst. Kommerzialisiert man sich selber, was viele überall schon von alleine machen, kommt der Burnout recht bald hinter der Ecke hervor. Sein Auftreten macht sogar Sinn nicht unnötig viel Energien in Konzepte zu stecken, die nicht für die Meisten funktionieren. Ernsthaft gesehen funktionieren sie überhaupt nicht. Immer nur für Geschäftemacher, die aber nicht kreativ erschaffen. Da schützt sich die Psyche selber vor. Leider passt das dann nicht in das propagierte Bild. Das propagierte Bild ist überall. Aber schau an, was das aus dem Planeten macht! Es lohnt sich vollkommen, es anders zu machen. Und das in jeder Hinsicht des Lebens. Denn Überall wartet Zauberhaftes entdeckt zu werden.
Die Philosophie des organischen Schreibens
Komme ich jetzt zu meiner neuen Schreibphilosophie, dem organischen Schreiben. Schreibst du täglich Notizen, hast du sehr schnell genug Material etwas neues daraus zu schaffen. Da lohnt es, sich mit einem Editor zu befassen, der sehr schnell Dinge ediert und neu zusammen bekommt. Ich benutze Emacs. Allein schon eine Tagebuchnotiz: heute morgen es nicht geschafft meinen Sohn auf die Toilette zu bringen ist unwahrscheinlich viel Stoff für neue Zeilen.
Lerne vom Pilz
In meiner Vorstellung eines organischen Schreibens, ist der Prozess des Schreibens mit dem Wachstum eines Pilzmycels vergleichbar. - Als handlicher Vergleich.
Das Mycel durchdringt alles. Ernährt sich durch Zersetzung: Erinnerungen, Emotionen. Ist unberechenbar, was es unbequem macht. Unbequeme Wahrheiten, unbequeme Kommerzialisierung. Aber: ein aufregendes Lesen. Das ist zumindest meine Vision. Denn plötzlich stehen da Fruchtkörper, von denen keiner vorher etwas ahnte. Inspirierend oder überraschend.
Der Pilz wächst unwahrscheinlich schnell. Bei einem organischen Schreiben hast du also nie das Problem keine Themen zu haben. Sie sind überall. Im Tagebuch, Zettelkasten. Nutze den Einkaufsbon. Auch die Rückseite. Pilzlogik ist exponentiell wie sein Wachstum. Das organische Schreiben ist somit eine Gegenthese zu der menschlichen, linearen Logik.
Natürlich kann jeder Vergleich auch überstrapaziert werden. Pilz ist Pilz und Schreiben ist Schreiben. Das organische Schreiben will aber eine bewusste Kommunikation mit dem Unbewussten sein. Das Mycel ist das Unbewusste – ein dunkles, fruchtbares Geflecht unter der Bewusstseinsoberfläche.
Ich mag Pilzwandern
Fruchtkörper ist der umgangssprachliche Pilz, den man gerne beim Pilzesammeln sucht. Das Mycel sind die Wurzeln und kann riesig in der Ausdehnung werden. Das größte Lebewesen auf der Erde ist nicht der Elefant oder Wal, sondern Pilze. ^1 Pilze nehmen einen eigenen Gattungsnamen zwischen Pflanzen und Bakterien in Anspruch. Jetzt kann man sich darüber streiten: aber der eigentlich Pilz ist als Wurzelwerk unter der Erde oder im Baumstamm. Unsichtbar für uns. Was Nichtbiologen als Pilz bezeichnen sind die Knospen oder Fruchtkörper. Aber es sind die Knospen, die uns Menschen erstaunen und wundern lässt. Der Schreiber muss also das Mycel im Auge halten und entsprechen düngen. Das kann einer systematisch machen. Notizen machen, Zeit zum Korrigieren und dann Schreiben einplanen. Mindmaps sind noch organischer als lineare Notizen. Aber über die Ausprägung des Fruchtkörpers entscheidet der Pilz alleine. Das mache so ein Schreiben überraschend und lebendig: Schreiben ist Mycel: Unter der Oberfläche wuchert das Unbewusste, bis plötzlich Fruchtkörper aus dem Boden schießen – ungeplant, aber lebendig.
^1 Der größte bekannte Pilz umfasst etwa die Größe von Zypern, wiegt 35.000 Tonnen und ist 2000 Jahre alt.